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Beitrag vom 11.01.2017
Tift Merritt - Stitch of The World
Hannah Hanemann
Die Grammy-nominierte Musikerin aus North Carolina zieht sich aufs Land zurück und bastelt an ihren Songwriter-Qualitäten. Das Resultat ist ein tief im Country verwurzeltes Album voller Emotion und Naturverbundenheit.
Sinnkrisen sind bekanntlich schmerzhaft, aber nicht die schlechteste Quelle für künstlerische Inspiration. So suchte auch Tift Merritt nach der Scheidung von ihrem langjährigen Partner und im Angesicht ihres vierzigsten Geburtstags 2015 Zuflucht in der kreativen Arbeit und zog sich zunächst in die texanische Einöde zurück. Dort gönnte sie sich eine Auszeit vom stressigen Tour-Leben und ermöglichte sich eine regelmäßigere Schreibroutine.
Nach dieser emotional aufreibenden Zeit, die die Entstehung ihres Albums "Stitch of The World" maßgeblich beeinflusste, stellte die Sängerin während der weiteren Arbeit an ihren Songs fest, dass sie schwanger war. Sie nahm das als Anreiz, ihren bisherigen Wohnort in New York aufzugeben und in ihre Heimat North Carolina zurückzukehren.
Ihr Rückzug in die Natur zeigt sich auf dem im Januar 2017 erscheinenden Album, dem ersten seit vier Jahren, in einem ursprünglichen Country-Sound und sinnlichem Gesang.
So präsentiert sich Tift Merritt auf dem Coverbild denn auch barfuß in weiten Hosen und Tunika naturverbunden vor einem Baum, und macht so auf den ersten Blick deutlich, dass es sich bei "Stitch of The World" um ein klassisches Country-Album und eine Rückkehr zu ihren Wurzeln handelt.
Tift Merritt wurde 1975 in Houston, Texas, geboren und kam früh mit Musik in Kontakt, als ihr Vater sie mit Bob Dylan und Dolly Parton vertraut machte und ihr das Gitarrespielen beibrachte. Später zog die Familie nach Raleigh, North Carolina, wo Merritt während ihres Studiums Zeke Hutchins kennen lernte, ihren späteren Schlagzeuger und Ehemann. Gemeinsam gründeten sie die Band "The Carbines", mit der sie in kleinen Clubs der Umgebung auftraten.
1999 veröffentlichte Merritt gemeinsam mit der Band "The Two Dollar Pistols" die EP "The Two Dollar Pistols Meet Tift Merritt".
Der ebenfalls aus North Carolina stammende Kollege Ryan Adams besorgte der aufstrebenden Künstlerin schließlich Kontakte zu der Plattenfirma "Lost Highway", bei der sie Mitte 2002 ihr Debütalbum "Bramble Rose" herausbrachte. Es landete auf Anhieb sowohl beim Time Magazine als auch beim New Yorker in der Top 10-Liste des Jahres. Ihr 2004 veröffentlichtes zweites Album "Tambourine" wurde für den Grammy in der Kategorie "Country-Album des Jahres" nominiert und sowohl von der Presse als auch den Fans hoch gelobt. Der Erfolg verschaffte Tift Auftritte in Jay Lenos "Tonight Show" und David Lettermans "Late Show" und gab ihr die Chance, bei Konzerten die Bühne mit Elvis Costello, Ryan Adams, Willie Nelson, Emmylou Harris, Gillian Welch und Nickel Creek zu teilen. Ihr 2008 veröffentlichtes Album "Another Country" konnte an den Erfolg der vorhergehenden anknüpfen. Der darauf erschienene Track "Broken" wurde von der "Americana Music Association" zum "Song oft the Year" gekürt.
Zwischen 2010 und 2012 veröffentlichte Merritt mit "See You on the Moon" und "Traveling Alone" zwei weitere Alben.
In den nächsten Jahren tourte sie unter anderem mit Singer-Songwriter Andrew Bird und der Pianistin Simone Dinnerstein.
Mit "Stitch oft the World" kommt nun ein melodisches und nachdenkliches Album heraus, das dennoch in seiner Gesamtheit eine hoffnungsvolle Note trägt.
Musikerkollege Sam Beam von "Iron&Wine" wirkte an der Entstehung des Albums mit und ist auf den letzten drei Tracks als Sänger zu hören.
Merritts eigener Gesang erinnert stark an Country-Legende Emmylou Harris - aber an deren Einfluss kommt frau als Countrysängerin ja auch schwer vorbei!
Hinter der teilweise ziemlich schrebbelig abgemischten Band geht Merritts zarte Stimme manchmal leider etwas unter. Ein ruhigeres Arrangement hätte die Intensität ihres Gesangs sicher verstärken können.
Vielleicht ist es aber auch gerade dieser rohe, spontane und kratzige Sound, den sich die Sängerin für ihre Aufnahmen gewünscht hat. Herzschmerz ist schließlich auch nicht immer glatt und poetisch, sondern meistens eher sperrig und kantig.
"Stitch of The World" ist die persönliche Reflexion und kreative Umsetzung einer prägenden Zeit im Leben der Künstlerin, rührt die Hörerin als solche und ist gleichzeitig trotz melancholischer Grundstimmung ein leicht zugängliches und angenehmes Hörvergnügen.
AVIVA-Tipp: Auf "Stitch of The World" webt Tift Merritt Cowgirl-Romantik und Liebeskummer zu schönsten Country-Klängen und einem bewegenden Gesamtwerk zusammen.
Tift Merritt
Stitch of The World
Label: Yep Roc Records
Vertrieb: Starkult Promotion
VÖ: 27.01.2017
Mehr Infos zu Tift Merritt:
www.tiftmerritt.com
www.facebook.com
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